29. November 2021

Das EuGH-Urteil als Chance: Ein wissenschaftlicher Expertenrat für eine bessere Energieregulierung

Dr. B. Staiger und Dr. T. Pfrommer, Regulierungsmanagement, Netze BW GmbH, ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. 2021 Heft 12

Die jüngst durch das EuGH-Urteil ausgeweiteten Ermessensspielräume der Bundesnetzagentur können auch als Chance begriffen werden: Wo rechtliche Normierungen bereits methodisch unbefriedigende bis fehlerhafte Vorgaben zur Regulierungsumsetzung machen, besteht nun die Möglichkeit, die Regulierung qualitativ zu verbessern. Darüber hinaus bietet das EuGH-Urteil und die damit einhergehende Neugestaltung des Regulierungsrechts in Deutschland die Möglichkeit, grundlegende Fehlentwicklungen zu analysieren und über institutionelle Lösungsmöglichkeiten nachzudenken. In diesem Sinne sollte das bestehende institutionelle Gefüge der Regulierung in Deutschland durch einen unabhängigen, wissenschaftlichen und interdisziplinären Expertenrat ergänzt werden, um eine effektive Überprüfung von Regulierungsentscheidungen sicherzustellen.

Am 02.09.2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Ausmaß der rechtlichen Normierung der deutschen Strom und Gasnetzregulierung zu umfassend und dadurch die europarechtlich verankerte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur (BNetzA) unzulässig eingeschränkt ist. Zumindest Teile der verordnungsrechtlichen Regelungen werden zukünftig entfallen und die entsprechenden Verantwortlichkeiten auf die BNetzA übergehen. Die zusätzliche Unabhängigkeit für die BNetzA kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Möglichkeit einer effektiven inhaltlichen Überprüfung von Festlegungen der BNetzA stark einschränkt.

Dies ist insbesondere bei den jüngst ergangenen Entscheidungen zum Eigenkapitalzinssatz und zum generellen Produktivitätsfaktor („Xgen“) der dritten Regulierungsperiode offensichtlich geworden. In diesen hat der BGH die erstinstanzlichen Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) aufgehoben und die Ermessensspielräume der BNetzA hinsichtlich Methodenauswahl und Methodenanwendung erheblich ausgeweitet. Ohne die Möglichkeit der effektiven, inhaltlichen Prüfung behördlicher Regulierungsentscheidungen können jedoch weder ein effektiver Rechtschutz noch die inhaltliche Qualität der Regulierung gewährleistet werden. Seitens der regulierten Netzbetreiber herrscht vor diesem Hintergrund eine gewisse Verunsicherung, wie zukünftig ihre Rechtsschutzinteressen gewahrt werden können.

Beispiele für Rechtsetzung als Ursache mangelnder Regulierungsqualität

Wenn fehlerhafte verordnungsrechtliche Vorgaben zu inhaltlich mangelnden und ökonomisch fragwürdigen Regulierungsentscheidungen führen, kann die mögliche Außerkraftsetzung dieser Vorgaben als eine aus dem EuGH-Urteil resultierende Chance betrachtet werden. Beispiele für rechtliche Vorgaben, die ökonomisch bessere Regulierungsentscheidungen eher behindern, finden sich sowohl in den Netzentgeltverordnungen (NEV) als auch in der Anreizregulierungsverordnung (ARegV).

So verwendet die BNetzA für die Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes ein ökonomisches Modell aus der Kapitalmarkttheorie, dessen Anwendung eine gemeinsame Bestimmung von risikolosem Zinssatz und Wagniszuschlag verlangt. Der risikolose Zinssatz ist jedoch gemäß § 7 Strom-/GasNEV als Zehnjahresdurchschnitt der Umlaufsrenditen inländischer Emittenten fest vorgeschrieben, während der Wagniszuschlag separat unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf nationalen und internationalen Kapitalmärkten zu ermitteln ist. Die ökonomisch und modelltheoretisch verlangte integrierte Betrachtung der beiden Größen wird also bereits durch die verordnungsrechtlichen Vorgaben erschwert. Die dadurch entstehenden Inkonsistenzen waren dann folgerichtig auch Gegenstand der Diskussion um die jüngste Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes durch die BNetzA.

Ein Beispiel für einen unnötig hohen und restriktiven Detaillierungsgrad stellen auch die normativen Regelungen der ARegV zur Durchführung des Effizienzvergleichs dar. Verordnungsrechtlich vorgeschrieben werden nicht nur die anzuwendenden Methoden des Effizienzvergleichs (DEA und SFA), sondern auch die Verwendung von konstanten Skalenerträgen für die DEA und die im Rahmen der beiden Methoden von der Regulierungsbehörde anzuwendenden Ausreißeranalysen. Bis zur Novellierung im Jahr 2016 enthielt die ARegV auch eine Regelung zu den verpflichtend in das Effizienzvergleichsmodell einzubeziehenden Strukturparametern; diese sind in der aktuellen Fassung der Verordnung einer Vermutungsregelung gewichen. Zudem interpretiert die BNetzA die ARegV dahingehend, dass verordnungsrechtlich die Verwendung derselben Strukturparameter in der DEA und SFA vorgegeben ist. Solche Detailentscheidungen der Methodenwahl können jedoch nicht sinnvoll abstrakt allgemein getroffen werden, sondern sind immer an die spezifischen Gegebenheiten eines Anwendungsfalles gebunden. Die allgemeine Vorgabe solcher methodischen Details wird im Allgemeinen dazu führen, dass die für eine konkrete Situation optimalen Methodenentscheidungen nicht getroffen werden können [1].

Diese Beispiele, die sich um einige weitere ergänzen ließen, zeigen, dass gesetzliche Vorgaben die Qualität von Regulierungsentscheidungen beeinträchtigen können. Inwiefern die Chance zur inhaltlichen Verbesserung, die sich an den entsprechenden Stellen durch das EuGH-Urteil ergibt, genutzt werden wird, hängt u.a. von der effektiven inhaltlichen Überprüfung von zukünftigen Regulierungsentscheidungen ab.

Mangelnde Eignung des traditionellen Gerichtsverfahrens zur Beurteilung komplexer inhaltlicher und methodischer Fragen

Grundsätzlich stellt die Möglichkeit der juristischen Anfechtung und Überprüfung von Regulierungsentscheidungen einen Kontrollmechanismus für behördliches Handeln dar. Während Gerichte üblicherweise gut geeignet sind, um Fragen des klassischen Eigentumsrechts und Investitionsschutzes zu klären, ist der juristische Prozess weniger gut geeignet, die Korrektheit oder Angemessenheit inhaltlicher und methodischer Entscheidungen zu klären, die sich im Zusammenhang mit einer zunehmend komplexer werdenden technischen, ökonomischen und ökonometrischen Regulierungspraxis ergeben.

So lässt sich beispielsweise der in der ARegV geforderte „Stand der Wissenschaft“ zur Ermittlung des Xgen nicht durch Anwendung fester Regeln feststellen. Vielmehr müssen bei der Auswahl der Methoden, der Umsetzung der ausgewählten Methoden und bei der Beurteilung des aus einer Methode resultierenden Ergebnisses Abwägungen getroffen werden. Genau diese Abwägungen erfordern jedoch ausgeprägte und umfassende Sach- sowie Methodenkenntnis u.a. in Detailfragen der Mikroökonomik, Statistik, Produktivitätsmessung und der netzwirtschaftlichen Regulierung. Insbesondere in einem stark interdisziplinär geprägten Kontext wie der Energienetzregulierung wird sogar regelmäßig Expertise in mehreren Fachgebieten gleichzeitig hierfür notwendig sein. Es ist deshalb zu befürchten, dass Gerichte regelmäßig an der Beurteilung von Methodenentscheidungen zur Durchführung technisch-fachlicher und komplexer Aufgabenstellungen der Anreizregulierung scheitern werden.

Zwar haben insbesondere die Tatsachengerichte die Möglichkeit, für fachspezifische Fragen einen Sachverständigen zu berufen. Einem einzelnen Sachverständigen wird es aber gerade bei Fragestellungen von soeben beschriebener Komplexität und Interdisziplinarität häufig gar nicht möglich sein, sämtliches, zur Beurteilung benötigtes Fachwissen in sich zu vereinen. Fragen der Datenqualität, der Auswahl und Anwendung quantitativer Methoden oder der statistischen Modellierung und Prüfung von Ergebnissen stehen im Mittelpunkt der Diskussion um den Effizienzvergleich oder die Festlegung des generellen Produktivitätsfaktors. In dieser Aufzählung ist die notwendige Fachexpertise in regulierungsökonomischen, energiewirtschaftlichen und energietechnischen Belangen noch nicht abgebildet. Zudem werden Sachverständige häufig nur mit der Begutachtung einzelner Aspekte der gesamten behördlichen Entscheidung und Festlegungsmethodik betraut und sind von vornherein auf die vom Gericht zur Begutachtung formulierten Fragestellungen beschränkt. Bereits die Formulierung dieser Fragen erfordert aber ein hohes Maß an fachspezifischer Expertise. Auch werden Sachverständige nur ad hoc im Rahmen eines konkreten Verfahrens berufen und verfügen in der Regel über wenig historisches Hintergrundwissen zu netzwirtschaftlichen und netzregulatorischen Themen.

Dies führt in Verbindung mit den sehr hohen Beweishürden, welche die Rechtsprechung des BGH in den letzten Jahren aufgebaut hat, dazu, dass eine effektive inhaltliche Überprüfung von Festlegungen der BNetzA kaum mehr möglich ist. So fordert der BGH vom Beschwerdeführer eine alternative Methode, welche der von der BNetzA gewählten Methode „deutlich überlegen“ ist, oder dass die von der BNetzA angewandte Methode von „vornherein ungeeignet“ ist [2]. Das Hauptproblem hierbei ist weniger die hohe Beweishürde an sich, sondern vielmehr, dass die soeben aufgezeigten Limitationen des Sachverständigenprozesses daran zweifeln lassen, ob es praktisch überhaupt möglich ist, diese Hürde zu nehmen. Nur weil eine Methode einer anderen Methode objektiv deutlich überlegen ist, bedeutet dies nicht, dass ein Gericht dies im Lichte einer inhaltlich nur eingeschränkt möglichen Aufklärung des Sachverhalts und komplexer, einander angreifender und sich widersprechender Sachvorträge auch erkennen kann. Ein weiteres Hindernis an dieser Stelle ist, dass der BGH es unterlassen hat, den Begriff „deutlich überlegen“ inhaltlich auszugestalten. Dies kann als weiteres Indiz für die eingeschränkte praktische Möglichkeit, diese Hürde zu nehmen, gewertet werden.

Die Erfahrungen der Netze BW im Gerichtsverfahren zum Xgen Gas der dritten Regulierungsperiode bieten hierfür anschauliche Beispiele. Vor dem OLG Düsseldorf haben zwei gerichtliche Anhörungen stattgefunden, es wurden zwei Sachverständigengutachten eingeholt und insgesamt 16 Schriftsätze von den Parteien ausgetauscht. Die Gutachten des Sachverständigen haben die Vorgehensweise der Behörde in vielen Punkte kritisch beurteilt und das OLG von der mangelnden Qualität der behördlichen Festlegung überzeugt. Allerdings blieben sowohl das Sachverständigengutachten als auch der Beschluss des OLG unbestimmt, vage und ohne konkrete Hinweise, wie die kritisierten Punkte von der BNetzA korrigiert werden könnten. Da aus Sicht des BGH somit keine greifbar überlegene alternative Methodenwahl nachgewiesen wurde, wurde das Urteil des OLG revidiert und die Festlegung mit ihren methodischen Mängeln hat weiterhin Bestand.

Notwendigkeit einer effektiven inhaltlichen Überprüfung

Ohne die Möglichkeit der effektiven inhaltlichen Überprüfung von Regulierungsbeschlüssen tut sich eine institutionelle Lücke auf. Diese betrifft sowohl den effektiven Rechtschutz wie auch die Qualität der Regulierung. Der EuGH führt aus, dass „auf nationaler Ebene geeignete Verfahren“ bestehen müssen, um den „Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes“ zu garantieren. Dies muss jedoch im Mindesten bedeuten, dass inhaltlich überprüfbar ist, ob Entscheidungen der BNetzA im Einklang mit den ihnen zugrunde liegenden Regulierungszielen stehen: Der Xgen beispielsweise ergibt sich aus dem regulierungsökonomischen Konzept der „ökonomischen Nullgewinne“. Dieses Konzept wiederum hat eine klare technische Operationalisierung in der regulierungsökonomischen Literatur. Wenn der Xgen dieses technisch klar definierte Regulierungsziel nicht widerspiegelt, werden entweder die Netzbetreiber oder die Verbraucher in ihren Rechten verletzt.

Regulierungsentscheidungen sind unterschiedlich stark durch solche technisch klar definierten Regulierungsziele determiniert. Für den Xgen ist dies der Fall. Auch das mit der Effizienzwertermittlung verfolgte Ziel ergibt sich aus Standardkonzepten der Mikroökonomik. Demgegenüber spielen bei der Festlegung der Eigenkapitalzinssätze nicht nur technisch-fachliche Fragen eine zentrale Rolle, es ist auch immer ein normatives Urteil enthalten. Aus den oben ausgeführten Gründen müssen mindestens die technisch-fachlichen Aspekte einer Regulierungsentscheidung einer effektiven inhaltlichen Überprüfung unterliegen. Wie darüber hinaus mit nicht rein technisch-fachlich Fragen umgegangen werden sollte ist eine Frage, die hier nicht weiter beleuchtet wird.

Das derzeitige Scheitern einer effektiven inhaltlichen Prüfung ist Folge der unzureichenden Eignung des gerichtlichen Sachverständigenprozesses einerseits und des hohen Beweisstandards des BGH andererseits. Wie bereits beschrieben, ist ein einzelner, ad-hoc berufener und mit begrenzten Ressourcen ausgestatteter Sachverständiger ob der Komplexität, inhaltlichen Tiefe und Breite der Beschwerdegründe im Allgemeinen kaum in der Lage, alle relevanten technisch-fachlichen Fragen aufzuklären. Die daraus entstehende institutionelle Lücke könnte durch einen unabhängigen wissenschaftlichen und interdisziplinären Expertenrat zur Begutachtung und inhaltlichen Überprüfung von Regulierungsbeschlüssen der BNetzA geschlossen werden. Mit dieser institutionellen Ergänzung können die Schwächen des Sachverständigenprozesses geheilt werden, indem die inhaltliche Überprüfung dem Gerichtsverfahren vorgelagert und mit für ihre Aufgaben angemessenen Ressourcen ausgestattet wird.

Wissenschaftlicher Expertenrat

Die zentrale Aufgabe eines wissenschaftlichen Expertenrats bestünde darin, Regulierungsentscheidungen bereits im Vorfeld möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen fachlich und inhaltlich mit hinreichendem Expertenwissen zu begutachten. Betroffene einer Regulierungsentscheidung müssten die Möglichkeit erhalten, das Gremium anzurufen. Da eine standardmäßige Überprüfung sämtlicher Beschlussfassungen der Regulierungsbehörde jedoch deutlich zu weit ginge, wäre eine qualifizierte, begründete Beantragung mit konkreten Anhaltspunkten für methodische und inhaltliche Fehler eine notwendige Bedingung für eine Anrufung. Ausgeschlossen wäre damit aber nicht, dass der Expertenrat auch auf eigene Veranlassung tätig werden kann.

Der Expertenrat sollte sich aus Wissenschaftlern der entsprechenden Fachdisziplinen zusammensetzen, der Ökonomie, Ökonometrie/Statistik sowie aus energiewirtschaftlichen, -technischen und -juristischen Experten. Zusätzlich sollte dieses Gremium mit einer Geschäftsstelle und einem wissenschaftlichen Mitarbeiterstab ausgestattet werden. Um dessen Unabhängigkeit sicherzustellen, wäre eine institutionelle Ansiedlung außerhalb der Regulierungsbehörde zu bevorzugen.

Diese Überlegungen zur Ausgestaltung orientieren sich vor allem an den Mängeln des gerichtlichen Sachverständigenprozesses. Im Gegensatz zu einem einzelnen gerichtlichen Sachverständigen hätte der vorgeschlagene Expertenrat dauerhafte Ressourcen und würde über eine breitere Expertise verfügen. Ein zentraler Aspekt der Ausgestaltung bestünde darin, dass das Gremium auf Dauer angelegt ist und die berufenen Mitglieder eine mehrjährige Amtszeit haben. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Mitglieder Hintergrundwissen zu Kontext und Historie der relevanten regulatorischen Fragestellungen und zu den sich in der regulatorischen Praxis ergebenden Umsetzungsproblemen aufbauen. Ein weiterer, wesentlicher Vorteil hiervon wäre, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachexperten über die Zeit geeignet ist, Sachverhalte aufzuklären, welche der Aufklärung eines einzelnen Fachexperten nicht in gleichem Maße zugänglich sind.

Um den Einfluss des Expertenrats sicherzustellen, müssten Regelungen getroffen werden, wie etwa eine Verpflichtung der Regulierungsbehörde, Stellung zu den gutachterlichen Ergebnissen zu nehmen. Zudem wäre die Reputation der Mitglieder entscheidend: Allein die Veröffentlichung einer klaren Positionierung des Expertenrats zu bestimmten inhaltlichen Fragen könnte eine gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen zumindest vergleichbare Verbindlichkeit bei Beschreiten des Rechtsweges erzielen. Im Idealfall könnten Gerichtsverfahren auch ganz vermieden werden: einerseits durch die Feststellung unberechtigter Einsprüche, andererseits – sofern das Gremium Beschlüsse an die BNetzA zurückverweisen dürfte – durch inhaltliche Nachbesserungen an den entsprechenden Festlegungen. Zudem hätte die BNetzA einen Anreiz, ihre Entscheidungen präziser zu fassen sowie ihre Abwägungen umfassend und methodisch fundiert darzulegen. Insgesamt würden die inhaltliche Überprüfbarkeit von Regulierungsentscheidungen gestärkt, Methodenfragen geklärt und damit die Regulierungspraxis verbessert werden. Entscheidungen der BNetzA würden an inhaltlicher Legitimität gewinnen und die Behörde könnte ihren tatsächlichen Beurteilungsspielraum bewusster gestalten.

Die Idee der inhaltlichen Überprüfung „von Experten für Experten“ [3] ist nicht neu [4] und keineswegs auf theoretische Überlegungen begrenzt: Bei der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) ist beispielsweise ein Beschwerdeausschuss (Board of Appeal) eingerichtet. Und in Großbritannien haben Expertenkommissionen und Fachgerichte zur Überprüfung behördlicher Entscheidungen eine lange Tradition, zu nennen wären hier beispielsweise die Competition and Markets Authority und das Competition Appeal Tribunal.

BGH- und EuGH-Rechtsprechung als Ausgangspunkt und Chance

Die Etablierung eines Expertenrats kann auch für die deutsche Energieregulierung ein Weg sein, das Zusammenspiel der Institutionen und die dabei entstehenden Ergebnisse zu verbessern. Die Rechtsprechung des BGH und des EuGH, welche die Ermessensspielräume der Regulierungsbehörde stärken, kann also auch als Ausgangspunkt und Chance begriffen werden, die in der Regulierungsumsetzung aufgetretenen Probleme grundsätzlich anzugehen und zu lösen.

Quellen

[1] Deuchert, E.; Parthasarathy, S.: Effizienzvergleich für Verteilnetzbetreiber, in: ew – Magazin für die Energiewirtschaft, Sonderdruck 7632 (2019).
[2] Siehe hierzu die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs im Verfahren Bundesnetzagentur gegen Netze BW vom 26. Januar 2021; BGH, EnVR 101/19, Rz. 28
[3] Psygkas, A.: The ‘double helix’ of process and substance review before the UK Competition Appeal Tribunal: a model case or a cautionary tale for specialist courts? in: Rose-Ackerman, S.; Lundseth, P. L.; Ermerson, B. (Hrsg.): Comparative Administrative Law, Second Edition, 2017, S. 462-477.
[4] Chirulli, P.: The Boards of Appeal of European Agencies: an overview, in: Amicus Curiae, Issue 103, Autumn 2015.

Die Autoren: Dr. B. Staiger und Dr. T. Pfrommer, Regulierungsmanagement, Netze BW GmbH, Stuttgart

b.staiger@netze-bw.de
t.pfrommer@netze-bw.de

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