Netzintegration Elektromobilität
Aktuell befinden sich ca. 53 % der Wohneinheiten in Deutschland in Mehrfamilienhäusern. Demzufolge rücken Mehrfamilienhäuser zunehmend in den Fokus der Elektromobilität. Im Vergleich zu Ein- oder Zweifamilienhäusern befindet sich hier eine höhere Konzentration an Bewohner*innen pro Fläche gemessen an der Gesamtfläche pro m². Wenn hier E-Autos perspektivisch elektrisch betrieben werden, müssen die Anforderungen dafür erfüllt werden. Aus diesem Grund stellt sich die Netze BW die zentrale Frage, wie der Netzanschluss einer Wohnanlage dimensioniert sein muss, wenn eine große Anzahl von E-Fahrzeugen in einer gemeinsam genutzten Tiefgarage gleichzeitig lädt. Im NETZlabor E-Mobility-Carré gehen wir genau dieser Frage auf den Grund und untersuchen die benötigte Anschlussleistung bei gleichzeitiger Belastung des Stromnetzes unter realen Bedingungen.
Die Grafik zeigt, dass 61 % der Wohngebäude aus Einfamilienhäusern bestehen, Zweifamilienhäuser bilden mit 23 % den zweitgrößten Anteil der Wohngebäude. Mehrfamilienhäuser sind mit 16 % prozentual gesehen der kleinste Gebäudetyp im gesamten Gebäudebestand. In absoluten Zahlen gemessen ergibt das ca. 160.000 Mehrfamilienhäuser im Versorgungsgebiet der Netze BW.
Betrachtet man die tatsächlichen Wohneinheiten in den jeweiligen Gebäudetypen – sprich die Anzahl an Bewohner*innen in den zu unterscheidenden Gebäudetypen – ist festzustellen, dass sich in der verhältnismäßig geringen Gesamtverteilung der Mehrfamilienhäuser (16 %) jedoch 53 % der Wohneinheiten befinden. Statistisch gesehen, hat jede Wohnung in einem Mehrfamilienhaus 0,43 Stellplätze. Hieraus ergibt sich ein erhöhter Leistungsbedarf durch viele gleichzeitig ladende E-Fahrzeuge.
Zusätzlich zu den üblichen Haushaltsverbrauchern wie Ofen, Herd oder Waschmaschine wirkt sich das Laden von E-Fahrzeugen stärker auf das Stromnetz aus. Bedeutet in der Praxis: Zu Zeiten, in denen alle oder die meisten Projektteilnehmer*innen ihre E-Autos zur gleichen Zeit laden möchten, kann sich der Leistungsbedarf schnell aufsummieren und es können Belastungsspitzen im Stromnetz entstehen. Um eine Grundlage für die anstehende Testphase und die Entwicklung von technischen Lösungsansätzen zur Verbesserung des Netzzustandes zu schaffen, wird daher zu Beginn des Projekts erst einmal das natürliche Lade- und Nutzungsverhalten der E-Pionier*innen ohne Einsatz von technischen Komponenten wie Batteriespeicher oder Lademanagementsystemen betrachtet. Hierbei ist im NETZlabor zu beobachten, dass abends zwischen 18 und 22 Uhr die meisten Ladevorgänge mit einer durchschnittlichen Ladedauer von 2,5 Stunden stattfinden. Die maximale Gleichzeitigkeit liegt bei 13 ladenden E-Autos bei 58 Ladepunkten (= 22,4 %). In über 42 % der Zeit lädt kein E-Fahrzeug, die befürchtete maximale Gleichzeitigkeit bleibt aus.
Durch das intelligente Lademanagement wird die zur Verfügung stehende Ladeleistung, beginnend bei der Kapazität des Netzanschlusses (124 kW), Schritt für Schritt auf 40 kW reduziert. Werden viele E-Fahrzeuge zur gleichen Zeit geladen, steht den einzelnen E-Fahrzeugen folglich jeweils weniger Ladeleistung zur Verfügung. Bei gleichem Energiebedarf führt dies zwangsläufig zu einer längeren Ladedauer. Das Diagramm zeigt exemplarisch den Lastgang von bis zu acht gleichzeitig ladenden E-Fahrzeugen. Ohne Einsatz des Lademanagements würde es zu einer hohen Leistungsspitze von über 60 kW zwischen 18 und 20 Uhr kommen. Mit aktivem Lademanagement wird die Ladeleistung der E-Fahrzeuge so optimiert, dass der definierte Grenzwert von 40 kW eingehalten wird. Hiermit wird die Leistungsspitze vermieden. Die durchschnittliche Dauer eines Ladevorgangs steigt hierdurch von 135 auf 180 Minuten an.
Durch eine Mess- und Steuereinheit, welche die Leistung am Netzanschlusspunkt überwacht, wird der Batteriespeicher gesteuert. Zur Reduktion der Leistungsspitzen am Netzanschlusspunkt werden zwei Betriebsmodi untersucht: statischer und dynamischer Betrieb. Beim dynamischen Betrieb stellt der Batteriespeicher bei Überschreitung des oberen definierten Grenzwertes zusätzlich Leistung bereit, um einem Anstieg der Lastkurve entgegenzuwirken. Wird die untere Grenze unterschritten, lädt sich der Batteriespeicher bei Bedarf nach. Eine wichtige Erkenntnis aus dem Versuchsaufbau ist, dass der Einsatz eines Batteriespeichers nicht die gewünschte Wirkung erzielt: An manchen Tagen kommt der Batteriespeicher nicht zum Einsatz, weil entweder keine Leistungsspitzen über 35 kW entstehen, oder auch weil durch einen zu großen Leistungsbedarf der E-Fahrzeuge innerhalb kürzester Zeit viel Energie aus dem Batteriespeicher entnommen wird. Dies hat zur Folge, dass der Speicher nicht über die gesamte Dauer der Leistungsspitze aktiv unterstützen kann und es somit zu einem starken Anstieg der Bezugsleistung am Netzanschlusspunkt kommt. Ein solches Beispiel zeigt das Diagramm.
Der separate Netzanschluss ist auf eine Anschlussleistung von 124 kW ausgelegt. Die knappe Dimensionierung ist durch den Einsatz eines intelligenten Lademanagements möglich. Ohne dieses System müsste die Netzanschlussleistung auf 638 kW ausgelegt werden.
Der separate Netzanschluss mit einer Kapazität von 124 kW wurde – selbst ohne Leistungsoptimierung durch ein Lademanagement – nur zu 79 % ausgelastet. Mit dem auf eine Leistungsgrenze von 40 kW eingestellten Lademanagement beträgt die Auslastung des Netzanschlusses 32 %. Kurzum: Der separate Netzanschluss ist für das Ladeverhalten der E-Pionier*innen im E-Mobility-Carré überdimensioniert.
Aus den Testszenarien des NETZlabors und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen lassen sich folgende Punkte zusammenfassen:
Aus der Umfrage lässt sich ableiten, dass sich die Mehrheit der E-Pionier*innen in ihrer E-Mobilität nicht eingeschränkt fühlt.
Welche technischen Lösungsansätze das größte Potential für eine optimale Integration der Elektromobilität in die bestehende Netzinfrastruktur bei Mehrfamilienhäusern aufweisen und welche Überraschungen wir bei der Beobachtung der maximalen Gleichzeitigkeit erlebt haben, verraten wir in unserem Abschlussbericht. Freuen Sie sich auf spannende und exklusive Erkenntnisse aus unserem NETZlabor.
Antworten zu den häufigsten Fragen finden Sie in unserem FAQ-Bereich.